Sebastian Broß - Steuerberater, Dipl.-Betriebwirt (FH), Certified Valuation Analyst (EACVA) – Inhaber und Kanzleileitung

Autor

Sebastian Broß

Steuerberater, Dipl.-Betriebswirt (FH), Certified Valuation Analyst (EACVA)

Frank Lienhard - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Certified Valuation Analyst (EACVA)

Autor

Frank Lienhard

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Certified Valuation Analyst (EACVA)

Frank Lienhard und Sebastian Broß, 03.01.2024

Unternehmensbewertung im Erb- und Familienrecht

Unternehmen können aus verschiedenen Gründen bewertet werden, sei es im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf, für steuerliche Zwecke oder im Rahmen der Bilanzierung. Die jeweiligen Anlässe haben direkte Auswirkungen auf die Bewertung, was auch für die Beurteilung im Kontext des Familien- oder Erbrechts gilt.

Daher ist es von entscheidender Bedeutung, den zivilrechtlichen Hintergrund der Bewertung zu identifizieren und als Grundlage für die Bewertung heranzuziehen. Dabei sollte beachtet werden, dass es im Gesetz keine spezifischen Bewertungsvorschriften für gewerbliche oder freiberufliche Unternehmen gibt, im Gegensatz zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben.

Vorrangigkeit einer vertraglichen Regelung

Im Bereich des Familienrechts sind Eheverträge üblich und werden grundsätzlich von der Rechtsprechung anerkannt. Diese Eheverträge haben Vorrang vor einer Bewertung, soweit sie die Bewertung selbst regeln. Insbesondere haben diese Regelungen Vorrang vor einer etwaigen Abfindungsklausel in einem Gesellschaftsvertrag. Solche Regelungen können neben der Nicht-Berücksichtigung des Unternehmens beim Zugewinnausgleich auch die Festlegung der Bewertungsmethode oder einen festen bzw. gedeckelten Wert beinhalten.

Im Erbrecht sind Bewertungsanordnungen ebenfalls zulässig, wobei der Eingriff in ein Pflichtteilsrecht grundsätzlich nicht erfolgen kann.

Die vorherrschende betriebswirtschaftliche Lehre legt nahe, dass im Familien- und Erbrecht grundsätzlich dieselben wirtschaftlichen Prinzipien gelten. Der Wert wird folglich aus dem zukünftigen Erfolg abgeleitet, wobei der Liquidationswert die untere Grenze der Bewertung darstellt. Jedoch ist anzumerken, dass diese wirtschaftliche Bewertung gegebenenfalls an den rechtlichen Anlass angepasst werden muss.

Bewertungsstichtag

Im Familienrecht sind zwei Bewertungen erforderlich. Erstens muss der Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Beginns und zum Ende der Zugewinngemeinschaft ermittelt werden. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich vor allem in Fällen, in denen im Rückblick auf den Beginn des Güterstands eine Bewertung erstellt werden muss. Diese basiert auf dem damaligen Wissensstand, der oft schwer zu rekonstruieren ist. Die tatsächlichen Entwicklungen, die später eingetreten sind, sind für die Bewertung nicht maßgeblich (sogenannter Rückschaufehler). Die Aufarbeitung des Sachverhalts kann in diesem Zusammenhang problematisch sein. Wenn die Grundlagen nicht mehr nachvollziehbar sind, müssen die Bewertungsannahmen gegebenenfalls sachkundig geschätzt werden. Dies betrifft besonders die Unternehmensplanung. Falls eine solche nicht vorhanden ist oder nicht mehr zugänglich ist, muss der Bewerter die finanziellen Überschüsse selbst prognostizieren. In diesem Fall sind die Schätzung, die inhärente Unsicherheit und die Grundlagen der Schätzung darzulegen.

Um zukünftige Klärungsschwierigkeiten zu vermeiden, wird empfohlen, die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Einführung des Zugewinnausgleichs zu dokumentieren und insbesondere die Jahresabschlüsse bzw. Gewinnermittlungen über die gesetzliche Aufbewahrungspflicht hinaus zu archivieren.

Unternehmerlohn

Bewertungsrelevant ist ausschließlich der ökonomische finanzielle Ertrag. Im Falle von Einzelunternehmen, Freiberuflern und Personengesellschaften ist zu überprüfen, ob vom erzielten Gewinn ein kalkulatorischer Unternehmerlohn für die Leistung des Kaufmanns abzusetzen ist.

Wenn beispielsweise bei Personengesellschaften eine Tätigkeitsvergütung vereinbart wurde, ist zu untersuchen, ob diese dem Drittvergleich entspricht bzw. angemessen ist. Hierfür muss analysiert werden, welche Preise am Markt bezahlt werden (wurden), welcher Zeiteinsatz erforderlich ist (war) und welche individuellen Befähigungen gebraucht werden (wurden). Gegebenenfalls ist ein festzustellender Unternehmerlohn anzupassen. Entsprechendes gilt für schuldrechtliche Verträge zwischen dem Unter-nehmer und der Personengesellschaft.

Es ist auch erforderlich zu prüfen, ob die Ertragskraft vom individuellen Können des Unternehmers abhängig ist, insbesondere bei freiberuflichen Unternehmen. Falls diese Ertragskraft nicht auf einen Nachfolger übertragbar ist, muss dies bei der Prognose der zukünftigen Überschüsse berücksichtigt werden.

Steuerfolgen

Für die Berechnung des Zugewinnausgleichs wird angenommen, dass ein hypothetischer Verkauf stattfindet, und die angenommenen steuerlichen Belastungen werden wertmindernd in Betracht gezogen. Soweit mehrere Einkommensquellen vorhanden waren, deren fiktive Veräußerung Steuerfolgen hätte, muss eine fiktive Steuerveranlagung auf den Verkaufsfall des gesamten Vermögens und der daraus resultierende Steuerabzug ermittelt werden.

Im Erbrecht erfolgt eine Unterscheidung: Wenn ein Nachlass aufgeteilt wird und ein ausscheidender Erbe eine Ausgleichszahlung erhält, wird diese als Veräußerungserlös für den ausscheidenden Erben betrachtet und führt zu Anschaffungskosten für den übernehmenden Erben. Bei einer Realteilung geht jedoch die Rechtsprechung davon aus, dass diese unentgeltlich erfolgt, und infolgedessen sind keine steuerlichen Belastungen abzuziehen.

Berücksichtigung von Verfügungsbeschränkungen

Sofern im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist, dass ein Gesellschafter bei Ausscheiden einen geringeren Wert als den Verkehrswert erhält, ist dies bei der Bewertung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Hintergrund ist, dass der bisherige Inhaber weiterhin die ungeschmälerte Nutzungsmöglichkeit hat.

Jedoch ist eine Berücksichtigung angebracht, wenn ein hypothetischer Unternehmenskäufer diesen Umstand bei der Festlegung des Kaufpreises in Betracht ziehen würde. Dies gilt insbesondere für Situationen wie Ausschüttungsbeschränkungen, Verfügungsbeschränkungen, Stimmrechtsbindungen usw.

Berücksichtigung der Inflation

Unter Umständen kann im Fall des Zugewinnausgleichs die zeitliche Spanne zwischen Anfangs- und Endvermögen sehr groß sein. Daher indexiert die Rechtsprechung in diesen Fällen das Anfangsvermögen auf Basis der Lebenshaltungsindizes auf den Stichtag der Beendigung der Zugewinngemeinschaft. Der reale Zugewinn muss gewissermaßen bereinigt werden.

Praxis- Hinweis

Die Bewertung im Rahmen des Familien- und Erbrechts birgt diverse Unsicherheiten und Risiken. Es ist ratsam, Vorsorge zu treffen, insbesondere, wenn Unternehmensvermögen vorhanden ist. Gerade in diesen Fällen ist es sinnvoll, den Wert zumindest grob zu dokumentieren, idealerweise bereits bei der Begründung des Güterstands. Noch besser wäre es, den Zugewinnausgleich zu regeln, zu modifizieren und diesen klar und deutlich festzulegen. Hierzu gehört auch die Regelung, dass ein solcher ratierlich erfolgt, um das Unternehmen nicht in Liquiditätsschwierigkeiten zu bringen.

Eine praktikable Lösung könnte auch die Kopplung einer Bewertungsklausel an eine steuerliche Bewertungsmethode sein. In solchen Fällen ist es jedoch wichtig klar festzulegen, ob sich die Bewertung mit einer Änderung des Steuerrechts ebenfalls ändert (sog. dynamischer Verweis) oder ob der alte Rechtsstand auch bei steuerlicher Änderung beibehalten wird (statischer Verweis). Bei der Bezugnahme auf eine steuerliche Bewertungsmethode ist allerdings zu beachten, dass diese Verfahren in vielen Fällen zu Überbewertungen führen können. Es ist somit unerlässlich, die Bewertungsklauseln auf das jeweilige Unternehmen abzustimmen.

Im Erbrecht ist eine entsprechende Regelung ebenso zu empfehlen. Es sollte alle 3 bis 5 Jahre überprüft werden, ob und inwieweit sich ein aktueller Verkehrswert etwaig entwickelt hat, um zu beurteilen, ob die testamentarische Regelung in Pflichtteilsansprüche eingreift.

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