Typischer Verfahrensablauf einer Eigenverwaltung

(unter Berücksichtigung der Neuregelungen ab dem 1.1.2021)

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Die Eigenverwaltung ermöglich es einem insolventen Unternehmen, eine Sanierung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in Eigenregie zu gestalten. Bei der Eigenverwaltung wird auf die Einsetzung eines Insolvenzverwalters verzichtet. Durch das ESUG im Jahr 2012 sollte die Eigenverwaltung gestärkt werden. Dadurch sollte ein höherer Anreiz für frühzeitige Insolvenzanträge geschaffen werden. Neu geschaffen wurde die Möglichkeit der vorläufigen Eigenverwaltung. Um missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen hat der Gesetzgeber seit dem 1.1.2021 die Eintrittsvoraussetzungen in die (vorläufige) Eigenverwaltung erhöht. Damit bedarf der Eintritt in das Eigenverwaltungsverfahren einer guten Vorbereitung.

Ziel des Eigenverwaltungsverfahren ist die frühzeitige Sanierung von Unternehmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit.

1. Voraussetzungen der Eigenverwaltung

Die Eigenverwaltung kann im regulären Insolvenzverfahren und im Insolvenzplanverfahren, nicht jedoch im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 312 Abs. 2 InsO) angeordnet werden. Eine Anordnung der Eigenverwaltung setzt nach § 270a InsO voraus, dass

  • ein entsprechender Antrag vom Schuldner gestellt wird und
  • dem Antrag eine Eigenverwaltungsplanung beigefügt ist, welche folgende Punkte umfasst:
  • ein Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sicherstellen soll,
  • ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden,
  • eine Darstellung des Verhandlungstandes mit den Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen,
    eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und
  • eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

Des Weiteren hat der Schuldner Folgendes zu erklären:

  • ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis und gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,
  • ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und
  • ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 – 328 oder 339 des Handelsgesetzbuches nachgekommen ist.

Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, so ist dieser zum Antrag der Eigenverwaltung zu hören.

2. Insolvenzantrag

Antragsteller eines Eigenverwaltungsverfahrens kann nur der Schuldner selbst sein. Der Schuldner hat zu beantragen, dass die Eigenverwaltung angeordnet wird. Durch die Neuregelung des ESUG hat der Schuldner auch die Möglichkeit, das Unternehmen bis zur Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung zu führen. Auch die sog. vorläufige Eigenverwaltung ist vom Schuldner zu beantragen. Der Antrag hat sich auf einen Insolvenzgrund zu stützen (s.u.). Der Insolvenzantrag bedarf der Schriftform.

Nach den Regelungen durch das ESUG hat der Schuldner seinem Antrag generell ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Hat der Schuldner seinen Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt, soll er die Gläubiger mit den

  • höchsten Forderungen (Nr. 1),
  • die höchsten gesicherten Forderungen (Nr. 2),
  • die Forderungen der Finanzverwaltung (Nr. 3),
  • die Forderungen der Sozialversicherungsträger (Nr. 4)
  • sowie die Verbindlichkeiten aus betrieblicher Altersversorgung (Nr. 5)
    besonders kenntlich machen.

Ebenso hat der Schuldner bezogen auf das letzte Wirtschaftsjahr auch Angaben

  • zur Bilanzsumme
  • zu den Umsatzerlösen
  • zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer

zu machen.

Ebenso ist dem Verzeichnis die Erklärung des Schuldnervertreters beizufügen, dass die Angaben vollständig und richtig sind.

3. Ggf. Einsetzung eines vorl. Gläubigerausschusses

Durch das ESUG erstmals in das Gesetz aufgenommen ist der vorläufige Gläubigerausschuss. In der Praxis wurde dieser, gerade in Großverfahren, schon vor Inkrafttreten des ESUG gebildet, allerdings ohne gesetzliche Grundlage.

Das Gesetz unterscheidet zwischen obligatorischen, beantragtem und fakultativem Gläubigerausschuss (§ 22a InsO).

Ein obligatorischer Gläubigerausschuss ist einzurichten, wenn 2 der 3 folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • mindestens 6.000.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrages i.S.d. § 268 Abs. 3 HGB,
  • mindestens 12.000.000 € Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem letzten Abschlussstichtag,
  • im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Arbeitnehmer.

Das Insolvenzgericht soll einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestellen (beantragter Gläubigerausschuss), wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Antragsberechtigt sind der Schuldner, der vorläufige Insolvenzverwalter und jeder Insolvenzgläubiger unabhängig von der Höhe seiner Forderung,
  • Benennung von Personen, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen,
  • Schriftliche Einverständniserklärung der als künftige Ausschussmitglieder benannten Personen.

Sind die Schwellenwerte des § 22 a) InsO nicht erreicht und wurde kein Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gestellt, so steht es gleichwohl im Ermessen des Insolvenzgerichts, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen (fakultativer Gläubigerausschuss).

Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist demgegenüber insbesondere dann ausgeschlossen, wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt ist.

Der vorläufige Gläubigerausschuss hat folgende Aufgaben:

  • Unterstützung und Überwachung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
  • Recht zur Mitwirkung bei der Bestellung eines vorläufigen Verwalters.

4. Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung

Das Gericht bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn

  • die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und
  • keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.

Weist die Eigenverwaltungsplanung behebbare Mängel auf, kann das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung einstweilen anordnen; in diesem Fall setzt es dem Schuldner eine Frist zur Nachbesserung, die 20 Tage nicht übersteigt.

Sind nach dem gemäß § 270a Absatz 1 Nr. 1 übermittelten Finanzplan die Kosten der Eigenverwaltung und der Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes nicht gedeckt, übersteigen die nach § 270a Absatz 1 Nr. 5 ausgewiesenen voraussichtlichen Kosten der Eigenverwaltung in wesentlicher Weise die voraussichtlichen Kosten des Regelverfahrens oder sind Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass

  • Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern oder erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber den weiteren in § 270a Absatz 2 Nr. 1 genannten Gläubigern bestehen,
  • zugunsten des Schuldners in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Antrags Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet worden sind oder
  • der Schuldner in einem der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gegen die Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 – 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat,

erfolgt die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist vor Erlass der Entscheidung nach Absatz 2 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne Äußerung des Gläubigerausschusses darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder wenn offensichtlich mit nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden lassen. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

5. Gutachtenphase

Nach Eingang des Insolvenzantrags prüft das Insolvenzgericht die Zulässigkeit des Insolvenzantrages. Sofern die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind, prüft das Gericht die Eröffnungsfähigkeit. Eröffnungsfähig ist ein Verfahren, wenn ein Insolvenzgrund besteht und die Verfahrenskosten gedeckt sind.

Insolvenzgründe sind insbesondere die Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist lediglich bei einem Eigenantrag tauglicher Insolvenzgrund. Bei der Prüfung darf das Gericht aufgrund eigener Sachkenntnis entscheiden, soweit die vorliegenden Unterlagen für eine Entscheidungsfindung ausreichen. Bei Regelinsolvenzverfahren („Unternehmensinsolvenzen”, „IN-Verfahren”) wird aber in der Regel zuvor ein Sachverständigengutachten angefordert.

Das Gericht hat auch zu prüfen, ob es bis zur endgültigen Entscheidung, die unter Umständen mehrere Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen kann, Sicherungsmaßnahmen anordnen müssen.

Sofern ein Insolvenzgrund vorliegt und eine ausreichende Masse ermittelt werden konnte, wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ansonsten wird die Eröffnung mangels Masse abgelehnt.

Zur Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen bedient sich das Insolvenzgericht regelmäßig eines Gutachters. Dieser übergibt dem Insolvenzgericht ein schriftliches Gutachten, auf dessen Grundlage das Insolvenzgericht die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens trifft.

Das Gericht kann im Übrigen den vorläufigen Sachwalter auch beauftragen, Bericht zu erstatten über

  • die vom Schuldner vorgelegte Eigenverwaltungsplanung, insbesondere, ob diese von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, schlüssig ist und durchführbar erscheint,
  • die Vollständigkeit und Geeignetheit der Rechnungslegung und Buchführung als Grundlage für die Eigenverwaltungsplanung, insbesondere für die Finanzplanung,
  • das Bestehen von Haftungsansprüchen des Schuldners gegen amtierende oder ehemalige Mitglieder der Organe.

6. Vorläufige Eigenverwaltung

Durch die Änderungen des ESUG hat das schuldnerische Unternehmen nunmehr die Möglichkeit, bereits im vorläufigen Verfahren in Eigenverwaltung zu agieren. Dies war bislang erst im eröffneten Verfahren möglich. Der Vorteil für das Unternehmen besteht darin, dass kein Kontrollverlust eintritt. Die vollständige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt beim Unternehmen. Die Interessen der Gläubiger werden dadurch geschützt, dass das Unternehmen unter die Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters gestellt wird. Dieser tritt während des vorläufigen Verfahrens in der Regel nicht nach außen gegenüber den Vertragspartnern auf. Die Aufgaben und Kompetenzen beschränken sich auf eine interne Kontrolle, z.B. Überwachung der Liquiditätsplanung, Überwachung der Bestellvorgänge etc. Das Gesetz weist dem Sachwalter folgende Kompetenzen zu, die auch auf den vorläufigen Sachwalter entsprechend übertragen werden können:

  • Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 InsO),
  • Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht (§ 275 Abs. 1 Satz 2 InsO),
  • Der Sachwalter hat das Recht zur Führung der Kasse; er kann verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen auch nur von ihm vorgenommen werden (§ 275 Abs.2 InsO).

Für Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung hat der Schuldner nach § 276 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen; ist im Antragsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, so findet diese Vorschrift auch schon vor der Verfahrenseröffnung Anwendung.

Für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren ist streitig, ob das schuldnerische Unternehmen berechtigt ist, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Diese Frage hat hohe praktische Relevanz. Ist das Unternehmen berechtigt, Masseverbindlichkeiten begründen zu können, können Lieferungen und Leistungen vor Eröffnungen des Verfahrens auch nach dem Eröffnungszeitpunkt erfüllt werden. Ansonsten müssen diese Leistungen vor Eröffnung bezahlt werden.

7. Insolvenzeröffnung

Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren durch Beschluss. Im Gegensatz zum typischen Insolvenzverfahren verbleibt in der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin beim Unternehmen.

Ansonsten sind die Reglungen des Insolvenzverfahrens im Wesentlichen auf das Eigenverwaltungsverfahren anwendbar. Beispielsweise werden rechtshängige Verfahren kraft Gesetzes unterbrochen. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung begründet das schuldnerische Unternehmen Masseverbindlichkeiten.

8. Berichtstermin (Gläubigerversammlung)

Im Falle der Verfahrenseröffnung ist der Berichtstermin (sog. Gläubigerversammlung) entscheidend für den weiteren Fortgang des Verfahrens. Im Berichtstermin hat die Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und ihre Ursachen zu berichten. Er hat darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenz-plan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden.

Ebenso hat das schuldnerische Unternehmen das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht zu erstellen und zur Insolvenzakte zu reichen. Die Verzeichnisse und der Bericht zur Gläubigerversammlung werden dem Sachwalter vorab zur Prüfung und Stellungnahme vorgelegt.

Der Sachwalter nimmt zu dem Bericht des Schuldners und den Verzeichnissen Stellung. Insbesondere geht der Sachwalter auf die Zusammenarbeit und die Voraussetzungen der Eigenverwaltung ein. Ggf. nimmt der Sachwalter zum Vorschlag der Sanierung Stellung. In eigener Zuständigkeit prüft der Sachwalter mögliche Haftungs- und Anfechtungsansprüche und nimmt hierzu Stellung.

Die Gläubigerversammlung beschließt im Berichtstermin auf der Grundlage des Berichts des Insolvenzverwalters, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Sie kann den Verwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und ihm das Ziel des Plans vorgeben. Die Gläubigerversammlung hat darüber hinaus über alle bedeutsamen Rechtshandlungen zu entscheiden.

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9. Prüfungstermin

Die Prüfung der Insolvenzforderungen obliegt im Eigenverwaltungsverfahren dem Sachwalter. Im Prüfungstermin gibt der Sachwalter die Tabellenerklärungen zu den angemeldeten Forderungen gegenüber dem Gericht ab. Wenn Sie als Gläubiger nach einer rechtzeitigen Forderungsanmeldung nichts vom Insolvenzverwalter hören, ist die Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt, § 179 Abs. 3 Satz 3 InsO. Es gilt hier also der Grundsatz: „No news are good news.”

Dessen ungeachtet stellen wir die Insolvenztabelle den Gläubigern im geschützten Bereich unserer Webseite zur Verfügung. Diese Tabelle wird i.d.R. mit der halbjährlichen Berichtspflicht aktualisiert.

10. Asset-Deal, Insolvenzplan oder Stilllegung

Das Verfahrensziel der Eigenverwaltung ist grundsätzlich offen. Es kommt sowohl ein Verkauf der Wirtschaftsgüter und Übertragung des Geschäftsbetriebes im Rahmen eines sog. Asset-Deals, aber auch die Sanierung des Rechtsträgers über einen sog. Insolvenzplan in Betracht. Im Rahmen eines Insolvenzplanes kann auch die Gesellschafterebene verändert werden und auch Investoren als Neugesellschafter aufgenommen werden. Sofern beides nicht möglich ist, wird der Geschäftsbetrieb stillgelegt und die Wirtschaftsgüter, ggf. auch über Versteigerungsverfahren, veräußert.

11. Abwicklungsphase

Während der Abwicklungsphase setzt das schuldnerische Unternehmen die Beschlüsse der Gläubigerversammlung um, verwertet das vorhandene Vermögen und bereinigt die Insolvenztabelle. Je nach Verfahrensgröße und den konkreten Umständen kann diese Phase einen Zeitraum von einem halben Jahr bis hin zu mehreren Jahren in Anspruch nehmen. Die Verfahrensdauer hängt insbesondere davon ab, ob Immobilienvermögen vorhanden ist, Debitorenforderungen streitig eingezogen werden müssen, Sonderaktiva und Insolvenzanfechtungen auf gerichtlichem Weg verfolgt werden müssen (vom Sachwalter), mehrere Jahre steuerlich aufgearbeitet werden müssen oder Gläubiger Feststellungsklage gegen das Bestreiten der angemeldeten Forderung einlegen.

Der Schuldner ist verpflichtet, in einem regelmäßigen Turnus von 6 Monaten einen Zwischenbericht über die weiteren Entwicklungen zur Insolvenzankte zu reichen. Als besonderen Service für die Gläubiger stellen wir diese Berichte im geschützten Bereich zum Download bereit.

12. Sonderfall Masseunzulänglichkeit

Masseunzulänglichkeit tritt dann ein, wenn der Schuldner die durch ihn begründeten Masseverbindlichkeiten, also die typischerweise nach Insolvenzeröffnung begründeten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Der Sachwalter zeigt den Eintritt der Masseunzulänglichkeit bei Gericht an. Der Eintritt der Masseunzulänglichkeit wird im Internet veröffentlicht. Ebenso erhalten die Massegläubiger eine Benachrichtigung. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist im Bereich der Masseverbindlichkeiten folgende Verteilungsreihenfolge zu beachten:

  • Die Kosten den Insolvenzverfahrens
  • die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören,
  • die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.

13. Nachträgliche Anordnung oder Aufhebung der Eigenverwaltung

Die Eigenverwaltung kann im eröffneten Verfahren durch die erste Gläubigerversammlung eingerichtet werden, auf Antrag der Kopf- und Summenmehrheit.

Im Übrigen hebt das Insolvenzgericht die Anordnung der Eigenverwaltung auf, wenn

  • der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder sich auf sonstige Weise zeigt, dass er nicht bereit oder in der Lage ist, seine Geschäftsführung am Interesse der Gläubiger auszurichten; dies gilt auch dann, wenn sich erweist, dass
  • der Schuldner die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffende Tatsachen gestützt hat,
  • die Rechnungslegung und Buchführung so unvollständig oder mangelhaft sind, dass sie keine Beurteilung der Eigenverwaltungsplanung, insbesondere des Finanzplans, ermöglichen,
  • Haftungsansprüche des Schuldners gegen amtierende oder ehemalige Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs bestehen, deren Durchsetzung in der Eigenverwaltung erschwert werden könnte,
  • die Erreichung des Eigenverwaltungsziels, insbesondere eine angestrebte Sanierung sich als aussichtslos erweist,
  • dies von der Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger beantragt wird,
  • dies von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder von einem Insolvenzgläubiger beantragt wird, die Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung des § 270f Absatz 1 in Verbindung mit § 270b Absatz 1 Satz 1 weggefallen sind und dem Antragsteller durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen,
  • dies vom Schuldner beantragt wird.

Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn die in Absatz 1 Nummer 4 genannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Schuldner zu hören.

14. Einfluss des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung

Im Eigenverwaltungsverfahren werden die gesellschaftsrechtlichen Überwachungsorgane ausgeschaltet (§ 276a InsO). Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung haben keinen Einfluss mehr auf wirtschaftliche Entscheidungen der Geschäftsführung. Die Überwachung erfolgt allein durch Sachwalter, Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung. Damit wird die Betriebsfortführung und die Sanierung entkoppelt von gesellschaftsrechtlichen Bindungen. Die Befugnis zur Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung verbleibt allerdings bei den Gesellschaftern. Die Zustimmung des Sachwalters ist jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung.

15. Schlussbericht, Rechnungslegung und Schlusstermin

Nachdem sämtliche Vermögensgegenstände verwertet und alle angemeldeten Insolvenzforderungen abschließend geprüft sind, reicht der Schuldner einen Schlussbericht und die Schlussrechnungslegung beim Insolvenzgericht ein. Der Sachwalter nimmt zur Rechnungslegung des Schuldners Stellung.

Soweit von Seiten des Insolvenzgerichts keine Fragen mehr bestehen, terminiert das Insolvenzgericht einen Schlusstermin. Dieser kann bei kleineren Insolvenzverfahren auch im schriftlichen Verfahren stattfinden. Im Schlusstermin berichtet der Schuldner nochmals abschließend über das Insolvenzverfahren. Der Sachwalter nimmt hierzu Stellung.

16. Verteilung

Nach dem Schlusstermin bewilligt das Insolvenzgericht die Schlussverteilung nach dem eingereichten Verteilungsverzeichnis, soweit keine Einwendungen hiergegen erhoben werden. Die gesetzlich vorgesehene Verteilungsreihenfolge sieht wie folgt aus:

Gesetzlich vorgesehene Verteilungsreihenfolge im Verfahrensablauf einer Eigenverwaltung
RangArt der ForderungBemerkung
1VerfahrenskostenVerfahrenskosten sind die entstandenen Gerichtskosten sowie die Gebühren der Insolvenzverwaltung
2MasseverbindlichkeitMasseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die der Sachwalter nach Verfahrenseröffnung begründet hat. Solche Verbindlichkeiten sind vorweg, also vor den Insolvenzverbindlichkeiten, aber nach den Verfahrenskosten, zu befriedigen. Inhaber von Masseverbindlichkeiten können also nicht „nur” auf die Quote verwiesen werden.
3Insolvenzforderungen oder Insolvenzverbindlichkeiten (§ 38 InsO)Insolvenzverbindlichkeiten sind solche Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon bestanden haben. Das sind die Forderungen derjenigen Gläubiger, die zur Zeit der Eröffnung einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner haben – egal, ob es sich dabei um einen zivilrechtlichen Anspruch oder um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch (z.B. Steuerbescheide) handelt.
4Nachrangige InsolvenzforderungenDie nachrangigen Insolvenzforderungen werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt:

1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
2. die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
3. Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
4. Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
5. Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

Einordnung der Forderungen

Infografik über Einordnung der Forderungen bei Insolvenzverfahren

17. Aufhebung

Nach erfolgter Verteilung der Insolvenzmasse hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf. Bei Gesellschaften, insbesondere bei Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG ist das Insolvenzverfahren beendet. Lediglich bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen schließt sich die Wohlverhaltensperiode an.

18. Whitepaper-Download

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