Katja Huber, 21.11.2022
Neuregelung des Statusfeststellungsverfahrens
Das Statusfeststellungsverfahren dient zur Klärung, ob im Einzelfall eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Das ist wichtig, weil ein ungeklärter Sozialversicherungsstatus ernsthafte Konsequenzen haben kann.
Die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung besteht, ist in vielen Fällen nicht klar zu beantworten, denn die Einordnung als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter kann nicht von den Vertragsparteien bestimmt werden, sondern richtet sich objektiv nach der tatsächlichen, inhaltlichen Gestaltung des Tätigkeitsverhältnisses.
Neuregelung des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV
Eine falsche Einordnung und Behandlung eines Beschäftigten, als selbständig Tätigen im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, birgt für das Unternehmen enorme Haftungsrisiken. Führt der Arbeitgeber aufgrund einer Fehleinschätzung vom Lohn keine Sozialversicherungsbeiträge ab und wird dies erst im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt, so kann dies für das Unternehmen teuer werden. Aus diesem Grund hatte der Gesetzgeber bereits vor über 20 Jahren die Möglichkeit eingeführt, die Durchführung eines sog. Statusfeststellungsverfahrens freiwillig zu beantragen. Seit dem 1.4.2022 ist eine Neuregelung des § 7a SGB IV in Kraft, ein Blick auf einzelne verfahrensrechtliche Neuerungen lohnt sich.
Ziel des Statusfeststellungsverfahrens
Ziel des Statusfeststellungsverfahrens ist es, Erwerbstätige und deren Auftraggeber vor den Risiken einer falschen Einschätzung der Erwerbstätigkeit als „selbständige Tätigkeit“ im Rahmen eines Auftragsverhältnisses oder einer abhängigen Beschäftigung zu schützen. Seit dem Jahr 2005 ist das Verfahren z.B. für Gesellschafter-Geschäftsführer obligatorisch. Allerdings beschränkt sich die Bindungswirkung eines Statusfeststellungsbeschlusses nach wie vor allein auf den Bereich des Sozialversicherungsrechts und hat damit keine Bindungswirkung für die Bereiche des Arbeits- und Steuerrechts.
Haftungsrisiken
Als Arbeitgeber sind Sie Alleinschuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrages also auch der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten-, Ar-beitslosen- und Unfallversicherung nebst Umlagen. Der Sozialversicherungsträger kann und muss Beitragsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich rückwirkend bis zum Ablauf des vierten Kalenderjahres geltend machen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen ist ein Rückgriff sogar bis zu 30 Jahren möglich. Da im Hinblick auf die allgemeine Verjährungsfrist in der Regel alle vier Jahre anlasslose Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung zur Prüfung der Beitragszahlungen stattfinden, werden Fehleinschätzungen regelmäßig anlässlich dieser Prüfungen aufgedeckt. Den Arbeitgeber treffen dann neben der Pflicht zur Zahlung der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge auch noch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen darauf in Höhe von 12 % im Jahr.
Dagegen können Sie von Ihrem Beschäftigten im bestehenden Beschäftigungsverhältnis für nur max. 3 Monate innerhalb der Pfändungsfreigrenzen Beiträge nachfordern. Ist der Arbeitnehmer nicht mehr in ihrem Betrieb beschäftigt, ist ein Rückgriff nicht mehr möglich.
Ist Ihnen als Geschäftsführer eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beitragsentrichtung vorzuwerfen, droht Ihnen nicht nur eine interne persönliche Haftung für den monetären Schaden, sondern Sie müssen sich gegebenenfalls strafrechtlich und/oder ordnungsrechtlich verantworten (z.B. gem. § 266a StGB, § 8 Abs. 2 SchArbBekG).
Isolierte Feststellung des Erwerbsstatus
Nach der Neuregelung des § 7a SGB IV entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund im Rahmen des sog. Statusfeststellungsverfahrens nicht mehr über eine Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, sondern allein über die Frage ob der Erwerbstätige als „Beschäftigter oder Selbständiger“ einzustufen ist. In dieser Entscheidung wird auch der Zeitpunkt festgestellt, an dem ggf. die Beschäftigung beginnt. Ob die weiteren Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht z.B. in der gesetzlichen Krankenversicherung (Überschreiben der Jahresentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V, Minijob nach § 8 SGB IV) oder der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegen, entscheiden dann in einem weiteren Verfahren allein die Einzugsstelle bzw. die Minijobzentrale bei geringfügigen Beschäftigungen und nur bei einer Betriebsprüfung die Deutsche Rentenversicherung.
Prognoseentscheidung
Während bisher erst nach Aufnahme der Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren beantragt werden konnte, können die Beteiligten dies nunmehr gem. § 7a Abs. 4a SGB IV bereits vor Aufnahme der Tätigkeit unter Darlegung der weiteren Umstände der Art und Weise der geplanten Zusammenarbeit beantragen. Wird auf dieser Grundlage von der Deutschen Rentenversicherung eine Prognoseentscheidung getroffen, sind die Beteiligten jedoch verpflichtet, Abweichungen der gelebten von den beschriebenen Beschäftigungsumständen, die sich innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit ergeben, mitzuteilen. Die ergangene Prognoseentscheidung wird dann mit Wirkung für die Zukunft ggf. aufgehoben. Werden Mitteilungspflichten nicht beachtet, kann die Entscheidung auch rückwirkend aufgehoben werden.
Gruppenfeststellung
Neu ist, dass Auftraggeber nunmehr eine sog. Gruppenfeststellung gem. § 7a Abs. 4b u. 4c SGB IV beantragen können. Sie müssen nicht mehr wie bisher für jedes Auftragsverhältnis – auch wenn diese in der Sache identisch sind – ein eigenes Statusfeststellungsverfahren durchführen. Anhand eines konkreten Statusverfahrens, erfolgt dann auf Antrag eine gutachterliche Äußerung der Deutschen Rentenversicherung in Bezug auf bestehende oder beabsichtigte gleichartige Auftragsverhältnisse mit demselben Auftragnehmer oder mit unterschiedlichen Auftragnehmern jedoch zu im Wesentlichen einheitlichen Bedingungen und Umständen wie z.B. für Kursleiter oder Versicherungsvermittler. Der Auftraggeber genießt in diesem Falle insoweit Vertrauensschutz, als eine abweichende Status-Beurteilung erst ab Bekanntgabe der Entscheidung eintritt.
Dies setzt jedoch voraus, dass der Auftraggeber im Vertrauen auf eine Gruppenentscheidung ein „gleiches“ Auftragsverhältnis entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens als selbständige Tätigkeit behandelt hat und der Erwerbstätige sich gegen das finanzielle Risiko Krankheit und Alter ausreichend abgesichert hat. Der Auftraggeber kann damit sein Haftungsrisiko für Ansprüche der Sozialversicherungsträger für rückständige Beiträge und Versicherungen für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Tätigkeit und Bekanntgabe der (von der Beurteilung der Gruppenfeststellung abweichenden) Statusentscheidung minimieren. Da dieser Vertrauensschutz nur für Auftragsverhältnisse gilt, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen wurden, ist in diesen Fällen dringend anzuraten frühzeitig eine erneute Gruppenfeststellung zu beantragen, um so einem lückenlosen Vertrauensschutz zu erwerben.
Dreiecksverhältnisse
Während das bisherige Statusfeststellungsverfahren auf Zwei-Personenverhältnisse zugeschnitten war, eröffnet jetzt die Neuregelung (§ 7 Abs. 2 S. 2 SGB IV) eine ergänzende Feststellung, ob ein Beschäftigungsverhältnis zu einem Dritten, konkret dem Einsatzbetrieb, besteht.