Matthias Kühne, 12.08.2024
Die ESS Kempfle GmbH, die ESS Montage GmbH, die ESS Vertriebs GmbH und die ESS eTechnik GmbH sanieren sich in Eigenverwaltungsverfahren
Pressemitteilung
Die ESS Kempfle GmbH, die ESS Montage GmbH, die ESS Vertriebs GmbH und die ESS eTechnik GmbH (auch ESS-Gruppe), alle mit Sitz in Leipheim, haben beim Amtsgericht Neu-Ulm ein gerichtliches Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 07.08.2024 bewilligt und jeweils ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren angeordnet.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Geschäftsbetriebe am Standort Leipheim laufen in vollem Umfang fort.
- Die Geschäftsführung wird weiterhin von Herrn Wolfgang Kempfle und Bettina Kempfle ausgeübt.
- Die Löhne und Gehälter der ca. 140 Mitarbeiter sind gesichert.
- Dipl.-Kfm. Arndt Geiwitz wurde in allen Verfahren zum vorläufigen Sachwalter bestellt.
- Auf Antrag der ESS Kempfle GmbH hat das Amtsgericht Neu-Ulm in deren vorläufigem Eigenverwaltungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt.
- Ziel ist die Sanierung und Restrukturierung der Unternehmensgruppe.
Stand des Verfahrens:
Neben dem Antrag auf Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens wurde auch die vorläufige Eigenverwaltung beantragt. Diese berechtigt die ESS-Gruppe, die Geschäfte in Eigenregie unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters weiterzuführen. Das zuständige Amtsgericht Neu-Ulm hat den Anträgen stattgegeben.
Damit hat die ESS-Gruppe nunmehr die Gelegenheit, einen Sanierungsplan zur Restrukturierung der Unternehmen vorzulegen. Hierbei wird die ESS-Gruppe von Herrn Guido Weißgerber und Herrn Volker Schleier von der Concentro Management AG unterstützt.
Ziel des Verfahrens
Ziel des Verfahrens ist die Restrukturierung und Sanierung der ESS-Gruppe und deren zukunftsfähige Ausrichtung unter Einbeziehung der wichtigsten Geschäftspartner. Damit wird sichergestellt, dass sowohl für das Unternehmen als auch für die Gläubiger im Verfahren die beste Lösung gefunden und umgesetzt wird. Dies soll mit Hilfe eines Investors erreicht werden. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass die Verfahren, zumindest in den wesentlichen Punkten, im ersten Quartal 2025 abgeschlossen werden können.
Ursachen der Krise
„Noch vor einem Jahr sah der Photovoltaikmarkt in Deutschland deutlich besser aus“, sagt Wolfgang Kempfle, der seit mehr als 20 Jahren in der regenerativen-Energien-Szene aktiv ist. Die Firmengruppe plante für dieses Jahr mit einem Umsatz von 50 Millionen Euro. 1500 PV-Anlagen sollten in Süddeutschland verbaut werden.
Der Spezialist für Photovoltaik-Anlagen schien in gutem Fahrwasser. Doch schon im Herbst zeichneten sich erste dunkle Wolken am Absatzhimmel ab. Zum rapiden Preisverfall bei Solarmodulen, Hausspeichern und Wallboxen – angetrieben durch eine aggressive Preispolitik chinesischer Hersteller – gesellte sich die Flaute am Bau.
Der Auftragsrückgang war derart stark und plötzlich, dass die Unternehmen trotz eingeleiteter Restrukturierungsmaßnahmen nicht mehr gegensteuern konnten. Die weiterlaufenden Fixkosten sowie der immer stärkere Preisdruck führten zu einer Liquiditätskrise, welche auch durch die Gesellschafter oder Finanzierungspartner nicht mehr beseitigt werden konnte.
Stellungnahme des Geschäftsführers
„Der Preisverfall bei den Solarmodulen und die Flaute im Bausektor hat uns hart getroffen. Zwar haben wir versucht gegenzusteuern, allerdings waren die Auswirkungen so stark, dass unsere möglichen Gegenmaßnahmen nicht ausreichend waren. Der Gang in das Eigenverwaltungsverfahren war deshalb unausweichlich. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, so äußert sich Wolfgang Kempfle zur aktuellen Lage.
Frau und Herr Kempfle sehen in dem Verfahren aber auch eine große Chance für ihr Unternehmen. „Wir haben bereits im Vorfeld Kontakt mit einem möglichen Partner aufgenommen“, so Frau Kempfle. „Der Hersteller hat großes Interesse. Die Umsetzung der Partnerschaft außerhalb des Eigenverwaltungsverfahrens war aus zeitlichen und juristischen Gründen nicht mehr umsetzbar“, so Bettina Kempfle weiter.
Das soll nun im Eigenverwaltungsverfahren umgesetzt werden. „Wir haben unsere Finanzierer im Vorfeld informiert. Diese unterstützen das Verfahren. Wir wollen nun mit Hochdruck an der Investorenlösung arbeiten, um das Unternehmen zu retten und für unsere Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Finanzierer wieder zukunftsfähig zu machen“, so Wolfgang Kempfle.
Herr Rechtsanwalt Matthias Kühne von der Kanzlei DIE SCHRITTMACHER sieht eine große Chance, dass sich die ESS-Gruppe nachhaltig aufstellen kann: „Die Rahmenbedingungen für eine Sanierung über das Eigenverwaltungsverfahren sind erfolgsversprechend. Wir werden umgehend die Gespräche mit dem künftigen Partnerunternehmen fortsetzen.“
Das sieht auch die verantwortliche Projektleiterin, Frau Rechtsanwältin Caroline Hackl-Fingado so: „Für die Mitarbeiter, die Kunden und die Lieferanten ist die Situation sicherlich nicht einfach. Trotzdem haben wir bislang von allen – trotz der Umstände – ein positives Feedback erhalten.“
Fortführung des Geschäftsbetriebs
Der Geschäftsbetrieb der Unternehmen wird in vollem Umfang fortgeführt. Die vorliegenden Kundenaufträge werden wie gewohnt ausgeführt. Zur Steuerung der für die Betriebsfortführung erforderlichen Liquidität unterhalten alle Unternehmen eine Liquiditätsplanung und -steuerung unter Aufsicht des bestellten (vorläufigen) Sachwalters.
Handelnde Personen
Durch die Anordnung der Eigenverwaltung bleiben alle Unternehmen handlungsfähig. Die bisherigen Geschäftsführer bleiben weiterhin im Amt. Dabei wird die Geschäftsleitung von der Kanzlei DIE SCHRITTMACHER unter Federführung von Frau Rechtsanwältin Caroline Hackl-Fingado unterstützt. Damit steht auch das erforderliche rechtliche Know-how für das gerichtliche Eigenverwaltungsverfahren zur Verfügung. Das Gericht hat antragsgemäß in beiden Verfahren Dipl.-Kfm. Arndt Geiwitz von der Kanzlei Schneider Geiwitz in Ulm als vorläufigen Sachwalter beratend und begleitend zur Seite gestellt. Die operative und finanzwirtschaftliche Sanierung wird begleitet durch Herrn Guido Weißgerber und Herrn Volker Schleier von der Concentro Management AG.
Die Rolle der Gläubiger
Die Gläubiger werden aktiv über den Stand des Verfahrens und die geplanten Maßnahmen informiert. Hierzu ist auf der Homepage der Kanzlei DIE SCHRITTMACHER ein Datenraum eingerichtet, in dem die wesentliche Situation dargestellt ist und fortlaufend Statusberichte eingestellt werden. Der Datenraum ist nur für Gläubiger einsehbar. Daneben hat das Amtsgericht Neu-Ulm im Verfahren der ESS Kempfle GmbH einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt. Mit diesem werden die wesentlichen Entscheidungen abgestimmt.
Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern
Aktuell sind bei den vier Unternehmen ca. 140 Mitarbeiter beschäftigt. Die Lohn- und Gehaltszahlungen der Arbeitnehmer werden während der vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren durch die Arbeitsagentur für Arbeit in voller Höhe sichergestellt. Die Mitarbeiter wurden umfassend über die aktuelle Situation informiert.
Zukunftsfähigkeit des Unternehmens
Die ESS-Gruppe genießt bei Kunden und auch in Fachkreisen einen guten Ruf. Die Eigenverwaltungsverfahren sollen genutzt werden, die Unternehmensgruppe nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen. Hierzu wird die Unternehmensgruppe ein Restrukturierungskonzept erarbeiten, welches mit dem vorläufigen Sachwalter und dem vorläufigen Gläubigerausschuss abgestimmt werden soll. Parallel hierzu werden die Unternehmen die Gespräche mit dem künftigen Partnerunternehmen fortsetzen mit dem Ziel, eine möglichst nachhaltige Lösung für die Unternehmensgruppe zu finden.
Über die ESS-Gruppe
Die ESS Kempfle ist seit 2009 im Photovoltaikmarkt tätig und hat sich in den letzten 15 Jahren zum mittelständischen Fachbetrieb entwickelt. Mit Beratung, Montage und Service gilt die ESS Kempfle als Komplettdienstleister. Inzwischen gibt es über 7.000 realisierte PV-Anlagen. Die ESS Kempfle unterhält 4 regionale Standorte. Als Fachbetrieb stehen Qualität, Fachkompetenz und Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt. Über den normalen Geschäftsbetrieb hinaus ist ein Solarkundendienst, ein eigenständiger Elektrofachbetrieb und eine Aus- und Fortbildungs-Akademie Teil der Gruppe.
Über das Eigenverwaltungsverfahren
Die Eigenverwaltung ermöglicht es einem insolventen Unternehmen, eine Sanierung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in Eigenregie zu gestalten. Bei der Eigenverwaltung wird auf die Einsetzung eines Insolvenzverwalters verzichtet. Durch das ESUG im Jahr 2012 sollte die Eigenverwaltung gestärkt werden. Dadurch sollte ein höherer Anreiz für frühzeitige Insolvenzanträge geschaffen werden. Neu geschaffen wurde auch die Möglichkeit der vorläufigen Eigenverwaltung. Um missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen, hat der Gesetzgeber seit dem 01.01.2021 die Eintrittsvoraussetzungen in die (vorläufige) Eigenverwaltung erhöht. Damit soll der Missbrauch der Eigenverwaltung verhindert werden. Wird von Seiten des Gerichts die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet, ist dies die Bestätigung durch das Gericht, dass dieses das Eigenverwaltungsverfahren für die Gläubiger als vorteilhaft einschätzt.
Durch die Bestellung eines (vorläufigen) Sachwalters und auch durch die Bestellung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses ist sichergestellt, dass die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen kontrolliert wird und auch die Gläubiger frühzeitig in die Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Damit soll nicht nur der bestmögliche Weg zum Erhalt des Unternehmens bzw. des Geschäftsbetriebes verfolgt werden, sondern die Gläubiger sollen auch eine möglichst hohe Befriedigung durch die Insolvenzquote erreichen.