Langfristige Begleitung erfordert eine umfassende Strategie.
Autor

Roman Sauer

Rechtsanwalt

Roman Sauer, 06.09.2023

Die Schenkungssteuerpflicht bei disquotalen Einlagen gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG

Bareinzahlungen dienen regelmäßig als finanzielle Basis für die GmbH und stehen dem Unternehmen für operative Zwecke zur Verfügung. Leistet ein Gesellschafter oder ein Dritter eine solche Einlage in eine Kapitalgesellschaft und erhält hierfür keine oder keine gleichwertige Gegenleistung, kann das eine steuerpflichtige Schenkung zu Gunsten der Mitgesellschafter gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG sein. Hierbei liegt, wie so oft, der Teufel im Detail.

Quotale und disquotale Einlagen

Zur Bewertung, ob es sich bei einer Leistung an eine Gesellschaft um eine steuerpflichtige Schenkung gemäß § 7 ErbStG handelt, muss zwischen quotalen Einlagen und disquotalen Einlagen unterschieden werden .Eine quotale Einlage liegt vor, wenn der Gesellschafter eine gleichwertige Gegenleistung für seine Einzahlung erhält. Wenn z.B. Gesellschafter zusätzliches Kapital in das Unternehmen einzahlen müssen, um die finanziellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu decken oder um das Eigenkapital zu erhöhen, können sie dies in dem Verhältnis tun, das ihren Anteilen am Stammkapital entspricht. Das bedeutet, dass jeder Gesellschafter in dem Maße einzahlt, wie er am Unternehmen beteiligt ist. Eine solche quotale Einlage kann daher nie eine steuerpflichtige Schenkung sein. Es handelt sich aufgrund der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht um eine Schenkung. Über disquotale Einlagen spricht man, wenn der Gesellschafter für seine Einlage keine Gegenleistung erhält oder die Gegenleistung nicht angemessen ist, d.h. wenn z.B. ein Gesellschafter aufgrund erheblicher finanzieller Mittel bereit ist mehr Kapital in das Unternehmen einzubringen, als seinem Anteil am Gesellschaftskapital entspricht. Der Leistende gibt im Falle einer disquotalen Einlage also mehr, als er erhält.

Disquotale Einlage im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern einer GmbH

Früher waren disquotale Einlagen eines Gesellschafters nur in Ausnahmefällen Schenkungen zu Gunsten einzelner Gesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Stieg nur der Wert eines bereits gehaltenen Geschäftsanteils von einem Mitgesellschafter, war dies nie eine Schenkung. Der Bundesfinanzhof sah die GmbH selbst als Beschenkte an und nicht deren Gesellschafter.

Disquotale Einlage im Verhältnis zu der Kapitalgesellschaft

Allerdings liegt auch im Verhältnis zu der GmbH nie eine Schenkung im gesetzlichen Sinne vor, da die disquotale Einlage nicht freigiebig erfolgt. Der Gesellschafter einer disquotalen Einlage erhofft sich nämlich durch die höhere Einlage eine weitere Stärkung der Beteiligung und der Gewinnaussichten an der Gesellschaft.

Obwohl man sich bei Zahlungen an die GmbH meistens eigene Vorteile erhofft, kommt sie dennoch der Gesellschaft selbst und damit den anderen beteiligten Mitgesellschaftern zugute: Steht der geleisteten Einlage keine entsprechende Gegenleistung gegenüber, erhöht sich der Wert der Gesellschaft. Damit steigt automatisch der Wert der jeweiligen Beteiligungen der Mitgesellschafter. Beispiel 1:Vater V und Sohn S sind mit jeweils 50.000 € je zur Hälfte an der A-GmbH beteiligt. Vater V

erbringt eines Tages im Zuge einer geplanten Expansion eine Zuzahlung von 200.000 €, ohne dass sich die Höhe seiner Beteiligung verändert. Hierdurch ist der Wert der Gesellschaft um 200.000 € gestiegen. Der Wert beider Geschäftsanteile ist anteilig um je 100.000 € gestiegen. V erhält für die Zuzahlung von 200.000 € lediglich einen Wertzuwachs von 100.000 €, während S um 100.000 € bereichert ist.
Früher war das keine Schenkung zugunsten der Mitgesellschafter gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Bereicherung der Mitgesellschafter wurde nur als automatischer Reflex der Schenkung des GmbH-Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft selbst angesehen. Die rein reflexartige Werterhöhung der Geschäftsanteile war aber kein tauglicher Zuwendungsgegenstand bezüglich der Mitgesellschafter.

Reaktion des Gesetzgebers § 7 Abs. 8 ErbStG

Der Gesetzgeber reagierte und schloss diese „Besteuerungslücke“ im Jahr 2011 mit dem neu eingefügten § 7 Abs. 8 ErbStG. Durch die Neuregelung soll vermieden werden, dass sich die Schenkungssteuer durch eine Schenkung an eine GmbH umgehen lässt.

§ 7 Abs. 8 ErbStG ist eine sogenannte gesetzliche Fiktion. „Als Schenkung gilt“ danach auch die Werterhöhung der Beteiligung eines Mitgesellschafters (Bedachter) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die GmbH. Die unentgeltliche Leistung an eine GmbH ist damit immer eine Schenkung an die Mitgesellschafter und deshalb steuerpflichtigAnders wie beim Grundtatbestand der Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt es nicht darauf an, ob dem Zuwendenden bewusst ist, dass seine Einlage zumindest teilweise eine Schenkung ist. Die Vorschrift ist unter anderem deshalb sehr weit gefasst und birgt für den Rechtsanwender entsprechende Risiken.

Reaktion des Gesetzgebers § 7 Abs. 8 ErbStG

Ein weiterer Faktor bei der Rechtsformwahl sind die Publizitäts- und Rechnungslegungspflichten. Kapitalgesellschaften müssen unabhängig von ihrer Größe immer einen Jahresabschluss erstellen (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung), eventuell nebst Anhang und Lagebericht, und diesen gegebenenfalls offenlegen, während Einzelunternehmen bis zu einer bestimmten

Größe lediglich eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) benötigen, was weniger kostenintensiv ist.
Zudem sind Kapitalgesellschaften zur Offenlegung ihrer Bilanzen im Bundesanzeiger verpflichtet, während Einzelunternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften ihre Unternehmenskennzahlen nicht offenlegen müssen.

Voraussetzungen und Rechtswirkung des § 7 Abs. 8 ErbStG

Deutlicher formuliert sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 ErbStG, dass eine Person (der Zuwendende) durch eine Leistung den Geschäftsanteil an einer Kapitalgesellschaft einer anderen Person (der Bedachte) in ihrem Wert erhöht.

  1. Leistungen
    Eine Leistung ist jede unentgeltliche und zielgerichtete Handlung, die zu einer Mehrung des
    Vermögens der GmbH führt. Dies können offene oder verdeckte Einlagen sein, aber auch
    der Verzicht auf Forderungen, insbesondere auch der Verzicht auf die Rückzahlung eines
    gewährten Gesellschafterdarlehens. Die Leistung muss grundsätzlich zu einer
    Werterhöhung der Geschäftsanteile der anderen GmbH-Gesellschafter führen. Allerdings
    bewertet die Finanzverwaltung auch ertragssteuerlich nicht einlagefähige Nutzungseinlagen
    wie unentgeltliche Arbeits- oder Dienstleistungen als Leistung im Sinne des § 7 Abs. 8
    ErbStG
  2. Zuwendender
    Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG kann Zuwendender jede andere Person sein.
    Einschränkungen auf den Kreis naher Angehöriger oder der Gesellschafter selbst gibt es
    nicht. Da die zuwendende Person nicht mit Bereicherungsabsicht handeln muss, können
    Zuwendende im Sinne des Gesetztes sogar Kunden der GmbH oder eine Bank, welche im
    Rahmen einer Sanierung ganz oder teilweise auf ihre Forderung verzichtet sein. Der
    Wortlaut der Vorschrift geht damit selbst nach der Auffassung der Finanzverwaltung viel
    zu weit. Welche Leistungen von Dritten von § 7 Abs. 8 ErbStG jedoch noch erfasst sein
    sollen und welche nicht, lässt die Finanzverwaltung nicht erkennen. Für den
    Rechtsanwender ist der Anwendungsbereich der Norm teilweise nur schwer kalkulierbar.
  3. Werterhöhung
    Die Leistung des Zuwendenden muss zu einer Werterhöhung der Anteile der anderen
    GmbH-Gesellschafter geführt haben. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Zuwendende
    eine Leistung an die Gesellschaft erbringt und hierfür keinen gleichwertigen Gegenwert
    erhält.
    Beispiel 2:
    Wie oben: Vater V verkauft der A-GmbH eine Maschine für 100.000 €, die Maschine hat
    jedoch einen Verkehrswert von 200.000 €. V erbringt eine Leistung im Wert von 200.000
    €, erhält aber nur 100.000 €. Die Leistung ist in Höhe von 100.000 € unentgeltlich. Die A-
    GmbH verzeichnet einen Wertzuwachs von 100.000 €. Der Wert des Geschäftsanteils des
    S steigt um 50.000 €. In dieser Höhe ist S bereichert.
    Beispiel 3:
    Die A-GmbH ist in der Krise. Zur Vermeidung der Insolvenzantragspflicht wegen
    Zahlungsunfähigkeit verzichtet die B-Bank auf einen Teil ihrer Forderung in Höhe von
    100.000 €. Ungeachtet der Tatsache, dass der Forderungsverzicht der B-Bank aus der
    Motivation heraus erfolgt, den restlichen Teil ihrer Forderung noch realisieren zu können,
    fällt der Forderungsverzicht der B-Bank unter den Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG.

Von der Finanzverwaltung anerkannte Ausnahmen

Wegen des offensichtlich zu weiten Anwendungsbereichs der Vorschrift macht die Finanzverwaltung Ausnahmen von der Besteuerung gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG. Keine Besteuerung findet danach statt, wenn mehrere Leistungen erfolgen und bei deren Gesamtbetrachtung im Ergebnis kein Gesellschafter auf Kosten eines anderen bereichert ist. Beispiel 4:Wie im Grundfall, jedoch erbringt Sohn S vereinbarungsgemäß ein Jahr später ebenfalls eine Leistung in Höhe von 200.000€. Sowohl die Leistung des V, als auch die Leistung des S sind einzeln und für sich betrachtet eine Schenkung gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG. In der Gesamtbetrachtung gleichen sich die beiden Zahlungen jedoch wieder aus, sodass weder S noch V auf Kosten des anderen bereichert ist. Dies war auch von vorneherein von den beiden vereinbart. Die Finanzverwaltung erkennt für diesen Fall eine Ausnahme von der Besteuerung der jeweiligen Leistungen an.

Auch für den in Beispiel 3 aufgezeigten Fall erkennt die Finanzverwaltung Ausnahmen an. In Fällen von sanierungsbedingten Forderungsverzichten ist die Forderung gegen die insolvente Kapitalgesellschaft wertlos. Der Verzicht auf die Forderung erhöht deshalb den Wert der GmbH nicht. Werden zur Sanierung einer Kapitalgesellschaft jedoch Zahlungen erbracht, ist ein gestalterisches Tätigwerden notwendig, um der Besteuerung nach § 7 Abs. 8 ErbStG zu entgehen.

Disquotale Einlagen in Personengesellschaften

Erbringen Gesellschafter oder Dritte disquotale Einlagen in Personengesellschaften wie der GbR, OHG oder als Komplementär oder Kommanditist in der KG liegt stets eine steuerpflichtige Schenkung an die Mitgesellschafter gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 ErbStG vor. Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte jüngst in einer Entscheidung aus dem Jahr 2023 die transparente Behandlung von Personengesellschaften. Im Unterschied zu Kapitalgesellschaften wird nicht auf die Fiktion des § 7 Abs. 8 ErbStG zurückgegriffen, sondern die Schenkung erfolgt direkt im Verhältnis einlegender Gesellschafter und Mitgesellschafter. Das gilt auch dann, wenn der einzahlende OHG-Gesellschafter eigentlich die OHG finanziell unterstützen möchte, da Personengesellschaften steuerrechtlich nicht als eigenständige Rechtssubjekte

Fazit:

Bei Zahlungen eines Gesellschafter oder eines Dritter an eine Gesellschaft ist stets Vorsicht geboten soweit dem keine Gegenleistung gegenübersteht. Durch den weitläufigen Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG sowie die transparente Behandlung von Personengesellschaften sind disquotale Einlagen regelmäßig schenkungssteuerpflichtige Zuwendungen zugunsten der Mitgesellschafter. Um dies zu vermeiden, ist es sinnvoll, risikobehaftete Vorgänge rechtlich aktiv zu gestalten. Dies gilt auch im Rahmen der von der Finanzverwaltung selbst aufgestellten Ausnahmen. Letztlich bleibt die endgültige Entscheidung über die Reichweite des § 7 Abs. 8 ErbStG den Gerichten überlassen. Bis dahin gilt es, insbesondere bei Zahlungen von Gesellschaftern an seine Gesellschaft die damit einhergehenden steuerrechtlichen Risiken im Rahmen einer rechtlichen Beratung abzuklären und durch fachmännische rechtliche Gestaltung zu minimieren.

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