Im Hinblick auf mögliche strafrechtliche und zivilrechtliche Haftungstatbestände hat die Prüfung der Insolvenzreife oberste Priorität. Die Prüfung der Insolvenzreife ist innerhalb weniger Tage, im Hinblick auf § 15a InsO jedoch maximal innerhalb von 3 Wochen abzuschließen. Das Ergebnis der Prüfung ist schriftlich zu dokumentieren.
Der BGH hat in einem aktuellen Urteil (vom 27.3.2012, Az.: II ZR 171/10) zur Frage Stellung genommen, wann ein Geschäftsführer wegen Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 64 GmbH in Haftung genommen werden kann und unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsführer eine Haftung vermeiden kann.
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft nach § 64 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden. Bei der Berechnung der Höhe des Haftungsanspruchs werden Zahlungen in das Vermögen nicht saldiert. Der Tatbestand bedeutet deshalb ein enormes Haftungsrisiko für Geschäftsführer.
Die Haftung des Geschäftsführers setzt Verschulden voraus, wobei allerdings schon einfache Fahrlässigkeit genügt. Maßstab für die Beurteilung ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns. Zu Lasten des Geschäftsführers wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat.
Als Ausgangspunkt des subjektiven Tatbestands reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens ebenso vermutet wird.
Vom Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Wenn der Geschäftsführer erkennt, dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz zu überprüfen.
Er handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss sich der Geschäftsführer, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, gegebenenfalls fachkundig beraten lassen.
Der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer ist nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen war. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.
Der Geschäftsführer kann entschuldigt sein, wenn er bei Anzeichen einer Krise unverzüglich eine fachlich qualifizierte Person mit der Prüfung beauftragt, ob die Gesellschaft insolvenzreif ist und ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, und er sich dann nach der gebotenen Plausibilitätskontrolle dem fachkundigen Rat entsprechend verhält. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt aber, dass eine solche Prüfung durch einen sachkundigen Dritten unverzüglich vorzunehmen ist und dass sich der Geschäftsführer nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen darf, sondern auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken muss.