ESUG – Lessons Learned
Am 1.3.2012 hat der Gesetzgeber das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen eingeführt. Neben zahlreichen Befürwortern wurden die Neuregelungen auch heftig kritisiert. Nach 3 Jahren sind die Neuerungen in der Praxis angekommen. Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen.
Die wesentlichen Neuerungen durch das ESUG bestanden zum einen in der Stärkung der Eigenverwaltung. Ebenso wurde das Schutzschirmverfahren eingeführt, das einem Unternehmen ebenso die gerichtliche Sanierung in Eigenverwaltung ermöglichen soll.
Daneben wurden auch die Gläubigerrechte gestärkt, indem ein Gläubigerausschuss nunmehr schon zu Beginn des Verfahrens installiert werden kann. Auch das Insolvenzplanverfahren wurde gestärkt, insbesondere durch die Möglichkeit, in einem Insolvenzplan auch in die Rechte des Gesellschafters einseitig eingreifen zu können. Die einzelnen Regelungen wurden in den ersten 3 Jahren unterschiedlich angenommen.
Schutzschirmverfahren wird zurückhaltend bewertet
Ein Schutzschirmverfahren kommt dann in Betracht, wenn ein Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist und eine Sanierung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen müssen durch einen unabhängigen Sachverständigen bescheinigt werden, wobei diese Bescheinigung aufgrund eines Sanierungskonzeptes des Unternehmens erfolgt.
In der Praxis ist festzustellen, dass sich die Unternehmen immer noch zu spät mit einer möglichen gerichtlichen Sanierung befassen und deshalb ein Schutzschirmverfahren wegen bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit ausscheidet.
Unmittelbar nach Inkrafttreten des ESUG wurde in Fachkreisen das Schutzschirmverfahren als das wohl interessanteste Verfahren propagiert. Dies wird nunmehr zurückhaltender bewertet. Das Schutzschirmverfahren hat durchaus Vorteile, wie z. B. die Möglichkeit, den kontrollierenden Sachwalter auszusuchen.
Ebenso besteht im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass in einem Schutzschirmverfahren nicht zwingend ein paralleler Verkaufsprozess eingeleitet werden muss. Auf der anderen Seite ist das Verfahren grundsätzlich etwas teurer und aufgrund der Verpflichtung, spätestens innerhalb von 3 Monaten einen Sanierungsplan vorzulegen, mit einem hohen Zeitdruck verbunden. Letztlich hängt es aber von den konkreten Umständen ab.
Eigenverwaltungsverfahren wurde gut aufgenommen
Das Eigenverwaltungsverfahren ist in der Praxis angekommen. Zwar wird es durchaus noch kritisch betrachtet, da das Unternehmen selbst den gerichtlichen Sanierungsprozess führt. Allerdings wurden in der Praxis auch durchaus gute Erfahrungen mit der Eigenverwaltung gemacht. Letztlich, und hier besteht überwiegend Konsens, hängt der Erfolg der Beteiligten im Wesentlichen von der Organisation und Kompetenz aller Beteiligten ab. Das Verfahren bedarf einer straffen Organisation und einer proaktiven Kommunikation.
Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Verfahren. Einer aktuellen Studie zufolge werden 63 % der Eigenverwaltungsanträge stattgegeben, 54 % der vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren werden dann auch nach Insolvenzeröffnung als Eigenverwaltungsverfahren fortgeführt.
Damit ist zwar insgesamt die Akzeptanz der Eigenverwaltung gestiegen. Ein signifikanter Anteil scheitert aber auf dem Weg zur Sanierung in Eigenverwaltung. Dies liegt aber nach den gewonnenen Erfahrungen auch daran, dass teilweise Sanierungen in Eigenverwaltung angestrebt werden, obwohl im Vorfeld bei den Gläubigern bereits jegliches Vertrauen verspielt wurde. Diese Versuche sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt.
Eine Unsicherheit konnte nach 3 Jahren ESUG im Wesentlichen beseitigt werden. Zu Beginn war streitig, ob ein Unternehmen in der vorläufigen Eigenverwaltung Masseverbindlichkeiten begründen könne. Nur wenn dies möglich ist, können Leistungen, die im vorläufigen Verfahren in Anspruch genommen wurden, auch nach dem Eröffnungsstichtag erfüllt werden.
Falls dies nicht möglich wäre, müssten alle Leistungen auch vor dem Stichtag bezahlt werden, was zu einem erheblich negativen Liquiditätseffekt führen würde. Mittlerweile ist weit überwiegend anerkannt, dass das Unternehmen im Wege einer Einzelermächtigung ermächtigt werden kann, Masseverbindlichkeiten zu erfüllen.
Gläubigerrechte werden wahrgenommen
Durch den vorläufigen Gläubigerausschuss haben die Gläubiger die Möglichkeit, eine aktivere Rolle in einem Verfahren zu übernehmen. Dies wird gerade von den institutionellen Gläubigern auch wahrgenommen. Die Einflussmöglichkeiten werden von den Gläubigern auch überwiegend positiv bewertet. Damit steigt aus Sicht dieser Gläubiger auch die Planbarkeit eines Verfahrens.
Insolvenzplan als Sanierungsinstrument
Die Anzahl der Insolvenzpläne ist im Verhältnis noch immer recht gering. Durch das ESUG wurden aber die Grundlagen verbessert, ein Verfahren innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraums abschließen zu können. Der Insolvenzplan ist damit zu einem für das Unternehmen sehr interessanten Sanierungsinstrument geworden.
Insolvenzplan
Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument gewinnt gerade in den Konstellationen der Eigenverwaltung an Bedeutung. Demgegenüber bleibt in Regelinsolvenzverfahren der Verkauf durch eine sog. übertragende Sanierung bzw. die Betriebsstilllegung das Hauptziel des Verfahrens.
Der Insolvenzplan bietet nicht nur für das Unternehmen selbst die Chance auf Fortführung und damit auch Erhalt der Arbeitsplätze, sondern auch für die Gläubiger die Chance auf eine schnellere Quotenzahlung und den Erhalt der Geschäftsbeziehung. Ein Aspekt der gerade auch von Gläubigerseite nicht vernachlässigt werden sollte.
Vorteile gegenüber außergerichtlicher Sanierung
Das ESUG hat die Möglichkeiten einer gerichtlichen Sanierung deutlich verbessert. Für das Unternehmen bietet sich die Möglichkeit einer gerichtlichen Sanierung mit weit reduzierten Haftungsrisiken. Außergerichtlich droht immer die straf- und zivilrechtliche Haftung der Insolvenzverfahrensverschleppung.
Für die Gläubiger hat das Verfahren ebenso Vorteile. Eine weitere Zusammenarbeit ist mit reduzierten Anfechtungsrisiken verbunden. Lange außergerichtliche Sanierungsprozesse beinhalten für die Gläubiger das Risiko, dass alle empfangenen Leistungen bei einer späteren Insolvenz durch den Insolvenzverwalter angefochten werden können.
Lessons Learned
Es hat sich gezeigt, dass gerade die Großgläubiger die sich durch das ESUG bietenden Möglichkeiten intensiver wahrnehmen. Insgesamt verlangen die neu geschaffenen Möglichkeiten eine verstärkte Professionalisierung aller Beteiligten, sowohl auf Unternehmens- als auch auf Gläubigerseite. Die Erfahrung der maßgeblichen Personen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Akzeptanz und das Gelingen.
Die wichtigsten Erkenntnisse nach 3 Jahren ESUG können wie folgt zusammengefasst werden:
Sanierung durch das ESUG
Einflussmöglichkeiten – gerade der Großgläubiger – sind durch das ESUG gestiegen
schnellere Verfahrensabschlüsse möglich
Anforderungen an Gläubiger steigen
Fazit
Ob das Ziel des Gesetzgebers, eine neue Sanierungskultur zu schaffen, erreicht ist, muss noch zurückhaltend bewertet werden. Durch die Mechanismen ist aber der Weg dahin bereitet. Letztlich liegt es in der Verantwortung der Unternehmen, die Möglichkeiten seriös auszuschöpfen.
Eine neue Sanierungskultur kann letztlich nur durch Vertrauen entstehen. Dies setzt professionelles und seriöses Handeln voraus. Die gewonnenen Erfahrungen werden letztlich für die Bereitschaft der Gläubiger zur Unterstützung der durch das ESUG geschaffenen Sanierungsinstrumente entscheidend sein.
[Matthias Kuehne]